Autor: Prof. Dr. Andreas Weber, Leiter des Kompetenzzentrums Industrie 4.0 am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik (Stuttgart)
Datum: 9. November 2025
Was ist passiert?
Im Jahr 2025 erlebt die deutsche Fertigungsindustrie einen beispiellosen Technologieschub: Laut einer aktuellen Studie des VDMA nutzen bereits 65 % der Maschinenbauer und 58 % der Zulieferer Künstliche Intelligenz zur vorausschauenden Wartung, Qualitätskontrolle oder Prozessoptimierung. Gleichzeitig gewinnen additive Fertigungsverfahren (3D-Druck), digitale Zwillinge und autonome Fertigungszellen an Bedeutung. Hinzu kommen regulatorische Impulse: Die EU-Verordnung zur klimaneutralen Industrie verpflichtet ab 2027 große Unternehmen zur CO₂-Bilanzierung – ein Katalysator für den Einsatz grüner Wasserstofftechnologien und energieeffizienter Anlagen.
Warum ist das wichtig?
Deutschland ist nach wie vor eine Exportnation – doch der Wettbewerbsvorteil „Made in Germany“ steht unter Druck. Günstigere Produktionsstandorte, Lieferkettenrisiken und der Fachkräftemangel erfordern eine Neuausrichtung: weg von Massenfertigung, hin zu flexiblen, ressourcenschonenden und intelligent vernetzten Produktionsprozessen. Unternehmen, die auf Innovation setzen, senken nicht nur Kosten, sondern erhöhen auch ihre Resilienz und Kundenbindung. Denn immer mehr Auftraggeber – besonders aus der Automobil- und Elektroindustrie – fordern nachweislich nachhaltige und transparente Fertigung.
Expertenanalyse
„Die Fabrik der Zukunft ist nicht nur smarter – sie ist auch menschlicher“, erklärt Prof. Dr. Weber. „KI übernimmt monotone Aufgaben wie Fehlererkennung oder Logistikplanung, während Mitarbeiter zu ‚Prozessgestaltern‘ aufsteigen.“ Besonders vielversprechend seien adaptive Produktionssysteme, die sich in Echtzeit an Lieferengpässe, Qualitätsabweichungen oder Kundenvorgaben anpassen können. Kritisch sieht er jedoch die digitale Kluft im Mittelstand: „Viele KMU zögern aus Angst vor Komplexität oder Kosten – doch die Technologien werden immer zugänglicher.“ Er verweist auf staatlich geförderte Plattformen wie „SmartFactoryOWL“ oder „Bayern Digital“, die KMU den Einstieg erleichtern.
Praktische Schritte für produzierende Unternehmen
- Führen Sie schrittweise digitale Zwillinge ein: Simulieren Sie Produktionsabläufe virtuell, bevor Sie Änderungen in der Realität umsetzen – das spart Zeit und Ressourcen.
- Setzen Sie auf modulare Automatisierung: Statt kompletter Linienumstellung nutzen Sie flexible Roboter (Cobots), die sich schnell umrüsten lassen.
- Integrieren Sie Energieeffizienz in die Prozessplanung: Nutzen Sie KI zur Echtzeitanalyse des Energieverbrauchs und schalten Sie nicht benötigte Anlagen automatisch ab.
- Nutzen Sie staatliche Förderprogramme: Das „ZIM-Programm“ oder „go-Inno“ unterstützen KMU mit bis zu 50 % Zuschuss bei Digitalisierungs- und Innovationsprojekten.
- Qualifizieren Sie Ihre Belegschaft: Bieten Sie interne Schulungen zu Mensch-Maschine-Kollaboration, Datenanalyse und Nachhaltigkeitsmanagement an – das stärkt Akzeptanz und Kompetenz.
Fazit
Die Produktion der Zukunft wird geprägt sein von Intelligenz, Flexibilität und Verantwortung. Neue Technologien sind kein Luxus, sondern Notwendigkeit, um im globalen Wettbewerb zu bestehen – und gleichzeitig Klimaziele zu erreichen. Wer heute investiert, sichert morgen Arbeitsplätze, Innovation und Standortstärke. Wie Prof. Dr. Weber abschließend betont: „Die deutsche Industrie hat immer aus Krisen Stärke gewonnen. Jetzt ist der Moment, um die nächste industrielle Revolution von innen zu gestalten – nicht von außen zu erleiden.“
